Der kalte Norden der Simulatorwelt ist um eine, nein drei Destinationen reicher geworden, seit Marcus Nyberg über Orbx seine neuesten Kreationen herausgebracht hat. Wer auf verschneite Pisten, Anflüge in der Finsternis, „Horse“-Strikes im Final, aber auch die liebliche Süße des skandinavischen Sommers steht, sollte unbedingt weiterlesen.
Fakten vorab
Obwohl das Add-On als Kiruna geführt wird, handelt es sich bei dem 3,27 Gigabyte umfassenden und mit knapp 25 Euro zu Buche schlagenden Download um ein wahres Airport-Bundle, dessen Preis, soviel vorweg, absolut gerechtfertigt ist. Geliefert bekommen wir natürlich Kiruna selbst, einer der nördlichsten Flughäfen Schwedens am Rande einer höchst ambivalenten Wirtschaftsregion. „Daneben“ bekommen wir den in Mittelschweden gelegenen Dala Airport in der Nähe von Borlänge – so gesehen ein typischer Regionalflughafen ohne viel Aufhebens um Internationalität. Zu guter Letzt wird mit dem Flughafen von Visby auf der Ostseeinsel Gotland eine Perle schwedischer Sommeridylle mitgeschickt, die, das sei dem Skandinavienfan geraten, auch im Winter ihren Charme hat.
Kauf, Download und Installation laufen wie gewohnt bei Orbx via OrbxDirect und ftx Central ab, es gibt ein kleines Manual mit Informationen zu den Plätzen und ein paar wenigen Karten. Die Konfigurationstools für alle Airports sind einfach, aber ausreichend. Kompatibel ist das Produkt mit FSX, FSX:SE sowie allen Versionen von Prepar3D. Im Folgenden werden wir die drei Flughäfen in den jeweiligen Bewertungskategorien einzeln betrachten.
Kiruna
Der Flughafen
Kiruna liegt weit nördlich des Polarkreises und ist Vielen vor allem wegen seines größten Arbeitgebers, der LKAB – besser bekannt als die größte Eisenerzmiene der Welt, ein Begriff. Was an der Oberfläche wie ein kleines Bergwerk aussieht, erstreckt sich unterirdisch mittlerweile soweit unter die Wohnsiedlungen der Mitarbeiter in der Stadt, dass selbige den Umzug und hiernach auch den Abriss großer Teile der Stadtfläche angeordnet hat – was gerade vollzogen wird. Der Flughafen dient folglich insbesondere dem Regionalflugverkehr sowie als Zubringer aus dem Süden Schwedens. Nennenswerte internationale Verbindungen bestehen nicht, allerdings fliegt die Automobilbranche hier im Winter gerne Testfahrer für zugefrorene Seen ein. Der Platz liegt mitten in der kargen Tundra und besitzt eine 2500 Meter lange Runway sowie ein Vorfeld, das sich Allgemeine Luftfahrt samt Wartungshangar sowie der Reiseverkehr von SAS und Norwegian teilen. Das Empfangsgebäude ist nüchtern, aber doch charmant und strahlt in seiner roten Farbe insbesondere in der tief stehenden Sonne langer schwedischer Sommerabende.
Auf dem Vorfeld kommt trotz der wenig angespannten Verkehrslage richtig Stimmung auf. Möglich machen es die durch PeopleFlow animierten Mechaniker, Reisende und das Flughafenpersonal. Außerdem stehen überall Gegenstände herum, Schneeräumer warten auf ihren Einsatz und der ganze Platz wirkt authentisch angegangen von den harten klimatischen Bedingungen skandinavischer Winter. Wohl gemerkt: Hier herrscht Inlandsklima und in der kalten Jahreszeit sind hier auch schon mal minus 30 Grad drin. Man kommt nicht umhin, diesen kleinen Platz zu mögen. Im Sommer macht das 3D-Gras einen Großteil dieser kargen Idylle aus, im Winter ist es vor allem die halb verwehte Runway und der massiv auftretende 3D-Schnee, der jeden Flughafenlärm zu ersticken scheint. Dieser wirklich plastisch wirkende Schnee ist aufgrund von Softwarelimitationen im FSX allerdings nur in den Prepar3D-Versionen erlebbar. Der Flughafen von Kiruna ist in der Polarnacht gut ausgeleuchtet, im Winter sind einige Taxiway-Markierungen sogar unter dem 3D-Schnee begraben. Die Flughafentexturen sind außerhalb von Runway und Vorfeld Luftbilder, die zum Teil erst aus einer gewissen Höhe scharf wirken und auf denen, wie mittlerweile fast immer, Objekte zu sehen sind, die nicht nachmodelliert wurden. Die Landseite des kleinen Platzes bildet eine sehr unscharfe Parkfläche; man merkt: das Augenmerk lag hier auf dem Vorfeld, nicht unbedingt auf der Bushaltestelle.
Die Umgebung
Vorweg: Alle drei Flughäfen sind jeweils sehr gut in die ftx Global-Umgebung – deren Installation übrigens vorausgesetzt wird – eingebettet und der per Luftbild abgedeckte Bereich erstreckt sich ein gutes Stück um die Landebahnen herum. In Kiruna ist die Stadt selbst zwar korrekt, aber nicht übermäßig detailliert nachgebaut. Auch die Erzmiene ist zu finden, allerdings wird das Luftbild hier im Bergbereich sehr matschig und zur Szeneriedesignerfalle. Denn in diesem Industriegelände finden wir nun massenhaft Gebäude und auch die legendären Erzzüge vor, die allesamt nicht nachgebildet wurden. Das sieht aus größerer Höhe zwar bestechend plastisch aus, beim flachen Überflug und einem vielleicht nicht allzu schnellen Computer erlebt man hier allenfalls Texturpampe. Sicher – das ist angesichts des super Flughafens und zu Gunsten der Performance zu verschmerzen, hätte diese Szenerie aber doch vollends abgerundet. Schade, aber in Ordnung.
Dala
Der Flughafen
Der Regionalflughafen von Borlänge und Falun im östlichen Mittelschweden auf halben Weg zwischen Mora und Stockholm heißt Dala und auch hier hat man nicht allzu viel Verkehrsaufkommen zu erwarten. Da ist die 2300 Meter lange Piste, deren Anflugbefeuerung übrigens mitten durch eine Pferdeweide geht, völlig ausreichend. Logisch, dass hier die allgemeine Luftfahrt die tragende Rolle spielt. Und so gibt es hier viel Platz für allerlei kleine Maschinen. Wer trotz der seit 2006 ausgebauten Zugverbindung nach Stockholm von ebendort noch kommerziell herüberfliegen will, findet einige Vorfeldpositionen und ein kleines Terminalgebäude, auf dessen Dach der Tower samt Dachterrasse aufsitzt – übrigens holzbeplankt, so lässt es sich sicher arbeiten. Auch auf diesem Platz lebt man sich dank der guten Atmosphäre schnell ein und entdeckt fleißige Mechaniker, ein paar vermögende Privatleute, die auf den Abflug ihres Privatjets warten, im Sommer Blumen überall, sowie Absperrgitter, Kegel, Fahrzeuge – rundum alles, was man braucht, auch wenn es nur dasteht.
Ein Highlight der Szenerie sind sicher die animierten Pferde im Weidebereich des Endanflugs – sie bewegen sich sehr authentisch und man muss gut aufpassen, nicht zu tief reinzukommen. Braucht man das im Simulator? Nein – aber wenn man es denn sieht, muss man schmunzeln und freut sich drüber, so einfach ist das. Es fällt natürlich, wie auf allen drei Flughäfen, auf, dass die Objekte und Fahrzeuge mitunter die selben sind. Das ist aber rational und insbesondere mit Blick auf den Anschaffungspreis durchaus gerechtfertigt. Nachts und im Winter ist der Platz angenehm beleuchtet beziehungsweise liegt hier zuverlässig Schnee, da gibt es nichts zu beanstanden. Dala ist ein unspektakulärer Platz, den man vielleicht nie angeflogen wäre, wenn er hier nicht im Bundle enthalten wäre. Nun kann er eine weitere Destination für Skandinavien-Erkunder werden. Danke, Marcus Nyberg.
Die Umgebung
In Dala ist vor allem das ländliche Schweden abgebildet und gut getroffen. Rote Holzhäuser sind hier, in der Abbauregion des bekannten „Falun-Rot“, absolutes Muss und schnell zu finden. Auch hier hat das Luftbild Makel, wenngleich diese besser durch Gebäude und Bäume überdeckt werden, als in Kiruna. Zweifelsfrei ist dieser Platz aber besonders gut in die Umgebung eingebettet, ein Übergang zur Standardszenerie wirklich nur in der Draufsicht und bei genauem Hinsehen zu erkennen.
Visby
Der Flughafen
Der Flughafen von Visby liegt auf der größten schwedischen Ostseeinsel Gotland in der Nähe der Weltkulturerbestadt gleichen Namens, die man wirklich mal gesehen haben muss. Die Gegend ist auch die sonnenreichste Region des nordischen Königreiches und folglich insbesondere im Sommer sehr gefragt. Der Platz teilt sich in einen militärischen Teil, in dem auch im Simulator Kampfflieger untergebracht sind, und den zivilen Bereich. Wer Visby im Sommer nicht mit der eigenen 20-Meter Yacht oder einer der vielen Festlandfähren anläuft, lässt sich hier einfliegen und wird auf dem Vorfeld von einem Terminalgebäude in typisch gotländischer Optik, dem weißen Kalkstein, empfangen. Auch dieser Platz hat seinen Charme wegen der gelungenen Mixtur aus General Aviation, die sogar eine eigene kleine Graspiste kurz vor der Schwelle zur Hauptbahn betreibt, und dem saisonalen Aufkommen größerer Maschinen. Trubel kommt hier nicht auf, aber es herrscht, wie bei den beiden vorgenannten Flughäfen, ein gewisses Treiben auf dem Vorfeld, dem man einfach nur gerne zuschaut, während man sich auf den eigenen Flug vorbereitet. Auch hier ist alles so ausgestaltet, wie man es sich wünscht. Die klinische Sterilität, die so vielen Flughafenszenerien eigen ist, sucht man hier glücklicherweise vergebens und so ist es nur logisch, dass die Gebäude entsprechend gealtert und der Beton auf dem Vorfeld auch einigermaßen verschmutzt ist. Das ist keine geleckte Simulator-Welt, sondern ein schönes Abbild der Realität. Auch die Landebahnbefeuerung ist hier übrigens wie schon in Kiruna und Dala hervorragend ausgestaltet.
In Visby machen insbesondere Platzrunden Spaß, weil man so immer wieder in das Vergnügen kommt, an der Küstenlinie entlang und dann über die historische Hansestadt hinweg wieder auf dem Anflugkurs zu landen. Im Winter sind der Flughafen von Visby und die Umgebung übrigens nicht so stark eingeschneit wie z.B. Kiruna. Das ist durchaus korrekt so, herrschen hier doch eher milde Wetterlagen und ein angenehmes Seeklima vor. Es wird hier zwar weiß, aber regelrechte Schneeberge sind nicht zu sehen.
Die Umgebung
In Visby überzeugt vor allem die gekonnt modellierte Lage des Flughafens in der Nähe der steinigen Küste, deren Wirkung durch das Luftbild sehr gut hervortritt. Auch wurde die Stadt Visby samt ihrer beeindruckenden Stadtmauer aus dem Mittelalter nachgebildet, wenn auch die Häuser erst bei extremer Szeneriedichte ungefähr so dicht stehen wie in der Realität und der Dom durch eine Allerweltskirche ersetzt wurde. Das allerdings ist Jammern auf hohem Niveau. Im Hafen liegt ein großer Kreuzfahrer, die vielen Öl- und Gastanks in den Industriegebieten rund um die Stadt wirken sehr gut platziert und man sollte sich hüten, im Endanflug unter den Glideslope und folglich in einen dieser Tanks zu geraten. Auch eine der zahlreichen Kirchenruinen in Visby wurde nachgebaut, das zeugt von Maßarbeit, Hut ab!
Die Performance
Aus dem Blickwinkel der Szeneriekomplexität laufen alle drei Plätze auf dem Testsystem äußerst performant. Hier wurden auch mit Add-Ons von PMDG oder Flight Sim Labs gute Ergebnisse erzielt. Im Winter und bei Nacht muss man allerdings infolge von dynamischen Licht und 3D-Schnee mit Einbußen rechnen, die man aber getrost mit dem Herunterschrauben der Umgebungsdichte ausgleichen kann – denn im Simulator ist es nachts in Schweden genauso dunkel wie in der Realität.
Das Fazit
Marcus Nybergs schwedisches Regionalflughafenpaket macht für seinen Preis eine absolut gute Figur. Man bekommt hier gleich einen Schwung interessanter, zum Teil neuer Ziele geliefert, auf denen Leben herrscht und die schlicht und ergreifend gut gemacht sind. Die Detailverliebtheit, mit der der Designer die Plätze angegangen ist, ist bestechend und man ist geneigt, sehr gespannt auf die nächsten Projekte des Schweden zu warten. Trotz der zum Teil etwas verschwommenen Luftbilder und der oben genannten Tücken derselben mit Hinblick auf die Objektplatzierung überwiegt das durchweg positive Bild dieser drei spannenden Gegenden, von denen jede zu jeder Jahreszeit ihren ganz eigenen Reiz hat. Hätte uns vor 20 Jahren jemand erzählt, dass im Simulator allein durch Szeneriedesign soviel Immersion entstehen würde – wir hätten ihm vermutlich nicht geglaubt.
Entwickler: | Marcus Nyberg |
Lizenz: | Payware |
Getestete Version: | 1.0 |
Preis: | 39.95 AUD |
Erscheinungsjahr: | 2018 |
FS-Version(en): | FSX, FSX:SE, Prepar3D v1/v2/v3/v4 |
Produktseite: | OrbxDirect.com |
Pro
- drei Airports in einem Paket
- schöne Details
- Wintertexturen und 3D-Schnee sehr authentisch
- gute Einpassung in die Umgebung
- sehr viel Leben durch PeopleFlow (inkl. Pferden)
Contra
- verschwommene Texturen in Luftbildern
Zusammenfassung
Kurzfassung
Stimmiges Paket für die kalte Jahreszeit: Marcus Nyberg liefert ein originelles skandinavisches Destinationsbündel für alle diejenigen, die mal kleinere Plätze abseits von Göteborg oder Stockholm besuchen wollen und sich für die typische Orbx-Detailverliebtheit begeistern können.
Leserbewertung:
( Bewertungen)Auszeichnungen
- keine
Jens Leuteritz für flusinews.de
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Testsystem
Computer-Art: Desktop-PC
Hersteller, Produktbezeichnung: Eigenbau
Betriebssystem: Windows 10 Home, 64bit
verwendete Flusi Version: Prepar3D v4
Mainboard: ASUS ROG Strix Z270E Gaming
Prozessor: Intel Core i7-7700k @4×4,5GHZ
Arbeitsspeicher: 32GB DDR-4 (2x 16GB)
Grafik: NVIDIA GeForce GTX 1070 Strix 8GB
Festplatte (OS): Adata SP900 SATA III SSD
Festplatte (P3D): Samsung 960 Evo M.2 SSD