Es hat etwas länger gedauert als erwartet, aber wie hier letztes Jahr angekündigt, kommt nun doch endlich mein Reisebericht. Im Juli 2014 war ich vier Wochen in Kanada und den USA unterwegs, alles natürlich nicht nur der Städte, Landschaft und Aussicht wegen. Ich wollte tiefer in die Geschichte und die Materie der Luftfahrt und die Technik, die sich dahinter verbirgt eintauchen. Dies ist mir während meiner Reise auch gelungen. Mein erstes Ziel nach langem Flug vom Albrecht Dürer Airport Nürnberg (EDDN) über den Flughafen Frankfurt am Main (EDDF) und den Toronto Pearson International Airport (CYYZ) war Calgary International (CYYC).
Jetzt denkt ihr euch bestimmt: „Was kannst du denn als Flugzeug-Fanatiker in Calgary machen, gibt es dort überhaupt irgendwas wofür es sich lohnt dort hin zu fliegen?“ Da kann ich euch nur zustimmen, eine sehr gute Frage! Das von meinem kanadischen Flugsimulator-Bekannten liebevoll als „Shit hole“ oder auf Deutsch eben das „Drecksloch“ der kanadischen Ölindustrie bezeichnete Calgary, hat aber luftfahrttechnisch tatsächlich einiges zu bieten, man mag es kaum glauben!
Einerseits ist der Calgary International Airport und dessen Komplettumgestaltung das größte Bauprojekt, das es jemals in Kanada gab. Es gehört schon einiges dazu, einen kompletten Flughafen umzubauen, da bei so einem Großprojekt ja einiges schieflaufen kann. Mehr muss ich dazu jetzt nicht sagen, ihr wisst ja bestimmt, von was ich rede …
Andererseits gibt es auch abseits der Baustelle einiges zu entdecken. Am Südende des Flughafens liegt das kleine aber feine „Aero Space Museum of Calgary“. Wie der Name schon sagt, beherbergt dieses kleine Museum diverse Schmankerl der Luftfahrtgeschichte.
Dort reiht sich eine Ikone der Luftfahrt an die nächste, hauptsächlich jedoch aus der Schmiede der britischen Flugzeugmanufaktur, de Havilland und ihrer kanadischen Tochterfirma, de Havilland-Canada. Im Hauptgebäude des Museums findet der affine Luftfahrtfreund so zum Beispiel eine de Havilland Vampire, ein einstrahliges Kampfflugzeug aus dem Jahre 1945, dicht an dicht mit einer Waco EQC-6 Custom, einem fünfsitzigen Doppeldecker, Baujahr 1935.
Die vom Chrom nur so glänzende Canadair North American F-86 Sabre sticht einem auch direkt ins Auge, besonders wenn sich der Besucher selbst darin spiegelt. Mit ihrem großen, fischmaulartigen Lufteinlass an der Vorderseite wirkt sie im Vergleich zu einer ihrer vielen Schwestern, wie der gelben North American Harvard MK.IV, die direkt daneben steht, doch etwas bedrohlicher. Außen im Übergang zum Flugzeugzelt parkt ein doch sehr heruntergekommener Sikorsky S-55, so ganz ohne Rotorblätter und mit Lackabplatzern ist der kleine mit der Knubbelnase schon sehr traurig anzusehen. Schade, dass er nicht wie sein älterer Bruder, der Sikorsky S-51 Dragonfly, im Zelt stehen darf.
Dort, in schöner Gesellschaft einer Douglas DC-3 der Northwest Airlines und einer Aerospatiale SE.3160 Alouette III befinden sich auch die zwei Schmuckstücke des Museums: Der Avro Lancaster 213 und einer de Havilland DHC-6 Twin Otter 100. Die Avro Lancaster 213 mit dem Namen „Lady Orchid“ flog unter ihrem Flight Officer Ron Jenkins viele Einsätze während des Zeiten Weltkrieges. Daher stammt auch die lustige Aufschrift Jenkins‘ Express. Zusätzlich ist noch zu sagen, dass diese Avro Lancaster einer der letzten noch flugfähigen Exemplaren ist.
Gegenüber steht ein kleineres, orangenes Flugzeug mit einem schwarzen Blitz an den Seiten, einem weißen Bauch, dem kurzen Namen „PAT“ auf dem Leitwerk und einem „Borek“ Schriftzug auf der Nase.
Arktis- und Antarktisfreunde oder Buschpiloten wissen jetzt schon genau von was ich rede. Die DeHavilland Canada DHC-6 Twin Otter mit der Fertigungsnummer 2 und der Kennung C-FPAT ist die zweite jemals gebaute Twin Otter. Nach der Indienststellung 1966, vielen Dienstjahren für Kenn Borek Air und andere Airlines, hat dieses kleine, orangene Flugzeug wohl am meisten Polüberflüge absolviert, sei es nun auf Skiern, Schwimmern, Tundrareifen oder mit Schwimmern. Da sich „PAT“ im gebührenden Ruhestand befindet, ist sie leider nicht mehr flugfähig.
In direkter Sichtweite zu diesem kleinen aber feinen Museum liegt auch schon der zweite Ort, an den ich euch im ersten Teil meiner Reise noch führen werde. Dort die Straße hinunter befinden sich die heiligen Hallen von Kenn Borek Air. Für alle, denen diese Airline nichts sagt: Die Piloten und Mechaniker bei Kenn Borek Air kümmern sich um alles was an Nord- beziehungsweise Südpol durch die Gegend fliegt, dort zu Bruch geht oder repariert werden muss, jedoch nicht militärisch oder von russischer Herkunft ist. „Russenflieger“ gehen nie kaputt und wenn doch mal was passieren sollte, dann genügt Duct Tape um die Maschine wieder flugfähig zu machen, so jedenfalls die landläufige Meinung.
Erst 2012 ist in der Antarktis eine Basler BT-67 des ALCI (Antarctic Logistic Centre International) abgestürzt. Die Aufgabe von Kenn Borek Air und den dazugehörigen Mechaniker-Teams ist es dann, diese Maschine vor Ort, egal wo auf der Welt, wieder flugfähig zu machen, sodass sie nach Calgary in die Werkshallen von Kenn Borek Air zur endgültigen Reparatur überführt werden kann. So geschehen 2009 bei Mia und im Dezember 2012 bei ihrer Schwester Lydia.
Bilder zur Rettungsaktion von Lydia in der Antarktis im Dezember 2012 findet ihr hier in der Slideshow der Outdoor Adventure Reiseseite Exposure Alaska. Im folgenden Video der Bergungsaktion aus dem Jahr 2009 wird deutlich wie komplex ein solches Vorhaben ist.
Doch nun zurück nach Calgary. Bei Kenn Borek Air ist alles noch Handarbeit. In der hauseigenen Schlosserei werden Bolzen und Metallteile nach den Luftfahrtstandards gedreht, geschweißt und gestanzt. Egal welches Ersatzteil benötigt wird, wenn es nicht mehr lieferbar ist, kann es hier trotzdem hergestellt werden. An den Wänden und überall in den Hangars finden sich Ersatzteile. Von Tragflächen, über Propellerblätter, Reifen und sogar Sitzen, bis hin zu Avionik-Instrumenten gibt es dort alles.
Auch die verunfallte Basler BT-67 mit dem Namen „Lydia“ des ALCI steht dort zerlegt und bereit zur Reparatur. Lackarbeiten können dort natürlich auch erledigt werden, dies gehört ja schließlich zum Wiederaufbau mit dazu, genau wie das Schrauben. Das Einparken der Flieger in die Lackierhalle ist stellenweise richtige Zentimeterarbeit, da die Hallentore nicht sehr besonders weitläufig sind. Bei Kenn Borek Air gilt eben das Motto: Nichts ist unmöglich.
Darüber hinaus besitzt jeder Mechaniker seinen eigenen Werkzeugwagen, welche liebevoll mit Aufklebern verziert ist. Hier wird auch recht schön deutlich, für welche anderen Airlines Kenn Borek Air die Wartungsarbeiten übernimmt, wie zum Beispiel Winair oder die Trans Maldivian Airways.
Neben den ganzen Mechanikern, die sich um die Flugzeuge und das zugehörige Zubehör wie die Zusatztanks der Überführungsflüge und Skier kümmern, sowie die Büroangestellten, die sich um die Logistik und auf den ganzen Papierkram stürzen, gibt es auch noch zwei Sonderangestellte. Die beiden Katzen Pratt und Whitney, benannt nach dem bekannten Triebwerkshersteller. Sie halten die Hallen frei von Mäusen und anderen ungebetenen Gästen, außerdem ist es bestimmt fördernd für ein gutes Arbeitsklima, mal zwischendurch mit einer wuscheligen Katze zu kuscheln.
Hier wären wir auch schon am Ende des ersten Teiles meines Reiseberichts. Abschließend möchte ich mich hier noch herzlich bei Cam McTrowe und Dana McTrowe bedanken, welche mir die Tage in Calgary und die Besichtigung bei Kenn Borek Air ermöglicht haben.
Weitere Bilder findet ihr hier:
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