Neue EU-Verordnung zur Mehrwertsteuer kommt ab 2015 – das droht der Flusiszene:
„Für eine gerechtere Verteilung der Steuereinnahmen aus dem Online-Handel“ soll die am 1. Januar 2015 in Kraft tretende Neuerungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer für digitale Produkte in der EU sorgen – das teilt die Kommission auf ihrer Website mit. Doch die Verordnung mit der Nummer 1042 /2013 stellt aufgrund ihrer immensen Komplexität besonders für kleine Startups oder Unternehmen, die weniger als eine Hand voll Mitarbeiter zählen, eine enorme Gefahr dar. Wieso Francois Dumas von FSAddon nun die Schotten dicht gemacht hat und was die neue Regelung für kleine Entwicklerteams und deren Kunden bedeutet, haben wir recherchiert.
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Die Ausgangslage – Unternehmensstandort entscheidet über Mehrwertsteuer
Bis zum Jahresende gilt für den Verkauf von Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und elektronisch erbrachte Dienstleistungen folgende Regelung: Der Verkäufer muss seinen Kunden den Mehrwertsteuersatz berechnen, welcher im Land des Unternehmens gilt. Ein kleines Beispiel: FSAddon ist in den Niederlanden registriert. Dort werden 21% Mehrwertsteuer auf den Kaufpreis aufgeschlagen. Wenn nun jemand aus Deutschland einkauft, muss er 21% Mehrwertsteuer zahlen, obwohl diese in Deutschland mit 19% immerhin um zwei Prozentpunkte niedriger wäre.
Multinationale Konzerne wie Amazon oder Apple haben sich nun vorwiegend in EU-Staaten mit sehr niedrigen Steuern wie Luxemburg oder Irland angesiedelt und schleusen ihre Einnahmen dann z.B. am deutschen Fiskus vorbei. Dies funktioniert ganz einfach: Erwirbt man einen Film, ein Musikstück oder ein eBook online, wird der Verkauf im Falle von Amazon über Luxemburg abgewickelt – hier fallen für eBooks nur 3% Mehrwertsteuer an, sodass der Konzern seine Produkte sehr günstig anbieten kann. Die Staatskasse Luxemburgs profitiert: Auch wenn die Steuer gering ausfällt, die Masse macht’s – denn Amazon ist nicht das einzige Unternehmen, welches diese Steuervermeidungstaktik praktiziert. Andere Länder wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien gehen jedoch leer aus. Darüber hinaus entsteht ein Wettbewerbsnachteil für kleine Unternehmen wie z.B. deutsche Startups. Das soll sich mit der neuen Verordnung, die bereits im Jahr 2008 beschlossen worden ist, nun ändern.
Die neue Verordnung – der Wohnort des Kunden wird relevant
Ab 2015 sieht es anders aus, denn dann entscheidet im Business-to-Consumer-Vertrieb (B2C) der Wohnort des Käufers über den Satz der Mehrwertsteuer – das Unternehmen muss seinen Kunden die im entsprechenden Land geltende Mehrwertsteuer berechnen. Im Falle von FSAddon sähe das so aus: Kauft jemand aus Deutschland ein, muss dieser 19% MwSt bezahlen, ein Kunde aus Dänemark 25%. Für FS-Piloten aus Spanien werden nur 18% fällig, in Ungarn dafür aber hohe 27%! Und das, obwohl das Unternehmen in den Niederlanden registriert ist und vorher jedem Kunden nur eine Steuer von 21% berechnen musste. Kunden außerhalb der EU zahlen keine Mehrwertsteuer, es sei denn, das Produkt wird effektiv in der Europäischen Union genutzt – dann können die jeweiligen Staaten entscheiden, ob sie eine Mehrwertsteuer erheben wollen. Dies würde passieren, wenn ein Kunde aus den USA (nicht-EU) ein digitales Produkt, z.B. ein Musikstück, während seines Urlaubes in Großbritannien erwirbt und dann nutzt (hört). Klingt kompliziert? Ist es auch. Denn die jeweiligen Shop-Systeme müssen nun komplett umgestellt werden und automatisch die entsprechende Mehrwertsteuer berechnen – eine aufwendige Geschichte. Und bei Zuwiderhandlung drohen teilweise empfindliche Strafen.
Theoretisch müssten Firmen aus dem Ausland ihren EU-Kunden ebenfalls die Mehrwertsteuer berechnen und dann die Einnahmen an die entsprechenden Staaten weiterleiten – dies war sogar schon vor der Änderung so. De facto halten sich allerdings die wenigsten daran, denn rechtlich können die Firmen dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden. Dies stellt selbstverständlich auch einen Wettbewerbsnachteil für EU-Unternehmen dar.
Was ist ein Mini-One-Stop-Shop (MOSS)?
Die Unternehmen sind durch die neue Verordnung jetzt in jedem EU-Land umsatzsteuerpflichtig und müssten dort eine Steuererklärung abgeben. Da das selbstverständlich viel zu kompliziert ist, hat sich die EU den „Mini-One-Stop-Shop“, kurz MOSS (deutsch: kleine einzige Anlaufstelle, EKA), einfallen lassen. Hier muss der Verkäufer sich in nur einem Land registrieren lassen und reicht seine Erklärung ein. Aus dieser muss allerdings hervorgehen, aus welchem Land die jeweiligen Kunden kamen, sodass die Steuereinnahmen weitergeleitet werden – an die Länder, in denen die Kunden wohnen. Darüber hinaus müssen Daten über den Standort des Käufers 10 Jahre lang gespeichert werden – selbstverständlich nach den EU-Datenschutzrichtlinien.
Ok, was heißt das jetzt für die Entwickler?
Ganz einfach: Viel mehr Arbeit. Sowohl das neue Abrechnungssystem als auch die neue Steuererklärung sind sehr aufwendig und kosten neben viel Zeit auch nicht wenig Geld. Außerdem wird die entsprechende Infrastruktur benötigt, um die Kundendaten sicher speichern zu können. Besonders kleine Startup-Unternehmen oder Ein- bis Zweimannbetriebe, welche es in der Flusiszene zuhauf gibt, stellt die EU-Verordnung deshalb vor große Probleme. Das Betreiben eines eigenen Online-Shops lohnt sich da nicht mehr, weil der Aufwand zu hoch ist. Aus diesem Grund hat Francois Dumas von FSAddon seinen Shop geschlossen und vertreibt seine Download-Produkte jetzt nur noch über große Publisher wie den simMarket oder Aerosoft – diese haben das Personal und das Kapital, um der neuen Regelung gerecht zu werden. Wohlgemerkt betrifft die Verordnung ausschließlich digitale Produkte – deswegen wird der neue FSAddon-Store nur noch DVDs verkaufen – ein modernen Zeiten bringen diese aber nicht viel Umsatz und die großen Publisher behalten selbstverständlich auch einen Teil des Umsatzes ein, sodass sich der Gewinn für kleine Teams nur schmälern kann. Deshalb wurde auf Change.org bereits eine Online-Petition gestartet, die Ausnahmeregelungen für Kleinbetriebe und Startups fordert.
Was heißt die Regelung für mich?
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch andere Designerteams ihre Shops schließen und Add-Ons dann ausschließlich bei den ganz großen Publishern erhältlich sein werden. Darüber hinaus kann es sein, dass digitale Produkte (besonders außerhalb der FS-Branche, also Musik, Filme, aber auch Kommunikations- und Streamingdienste wie Skype oder Spotify) etwas teurer werden.
Weitere Informationen findet ihr auf dieser Seite der EU-Kommission.
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Artikel und Übersetzung: Frank Kuhn für flusinews.de
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Bisher 2 Kommentare
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Interessant. Dann empfehle ich die Auslagerung aller Online-Schgops ins EU-Ausland. Leider ist das für die Kleinen zu teuer und das erste prominente Opfer ist ja bereits bekannt. Ich habe hier von FS Addon einige Sachen auf dem Rechner… bewusst direkt gekauft, um die Entwickler zu unterstützen. Wir, die Gemeinde der Flusi-Piloten sind eine Macht. Wie viele Kopien von X-Plane, MSFS und P3D sind eigentlich in Deutschland in Benutzung? Wie viele Addons? Man sollte der EU eine mächtige Antwort geben und nicht nur einen Aufschrei. Ein Gang vor Gericht wäre so eine Antwort.
Na ja, wer sollte diese kostenintensive Antwort bezahlen und warum? In der Marktwirtschaft ist der Kosten-Nutzen-Faktor ja eine ziemlich bedeutende Macht…
LG Sascha