Schon lange existiert eine ganz besondere Freeware-Perle. Die Boeing 737-200 von TinMouse II. Leider hat sie bisher nicht all zu viel Beachtung geschenkt bekommen. Sicher sind die Meinungen innerhalb der Szene um dieses Add-On durchaus unterschiedlich. Jedoch sprechen die angepriesenen Features für sich. Die Maschine soll ein Panel mit simulierten Bord-Systemen, ein eigenes Soundset und ein payware taugliches Außenmodell besitzen. Ob und was das alles taugt, wollte Sascha in seinem insgesamt ersten Review für flusinews.de herausfinden. Und nicht vergessen: Alles Freeware!
Das Original
Die Boeing 737-200 ist die zweite und letzte Entwicklung aus der Typen internen „Ur-Generation“. Offizielle Generationen-Beschreibungen gab es erst später mit den 737-Classic und den Next Generations (NG).
Nicht einmal vier Monate nach der Boeing 737-100, dem Vorgänger, hatte die Boeing 737-200 am 09. August 1967 ihren Erstflug. Die 737-200 basiert auf dem Vorgänger und wurde auf eine Gesamtlänge von 30,53 Metern gestreckt. Somit fanden in dieser Version bis zu 133 Passagiere Platz. Ein wesentliches Merkmal dieser ersten 737-Generation sind sicherlich die langen und schlanken Triebwerke vom Typ Pratt & Whitney JT8D, welche wegen ihrer Länge hinter den Tragflächen heraus ragten. Des weiteren schließt man bei der Begutachtung des Seitenleitwerks schnell auf eine 737 „Ur-Version“ denn dieses schwingt sich an der Vorderseite in einer Kurve zum Rumpf herab, während alle weiteren Generationen hier eine abgeknickte Gerade aufweisen.
Erster Kunde der Boeing 737-200 nahm die U.S. Amerikanische United Airlines das Flugzeug am 28. April 1968 in Betrieb. Mit einer Reichweite von immerhin ca. 4.200km ist die Boeing 737-200 bestens für Kurz- und Mittelstrecken geeignet.
Heute wird die 737-200 hauptsächlich als Fracht-Maschine eingesetzt, wo sie allerdings in Deutschland die Boeing 727 nach wie vor nicht ablösen kann.
Der Entwickler
Hinter dem Pseudonym „TinMouse“ verbarg sich Richard Probst. Er veröffentlichte bereits vor langer Zeit eine erste Variante der Boeing 737-200 die er allerdings auf einem anfänglichen Status verharren lies, da er aus der Flusi-Szene ausstieg. Glücklicher weise griffen eine Hand voll motivierter das Projekt auf und entwickelten es weiter. Es kam zum Beispiel sogar ein Außenmodell dazu, welches von Flight1 entwickelt wurde, allerdings in deren Payware-Flotte nie zum Einsatz kam. Es entstand nun eine Freeware die es, so viel vorab, in sich hat. Die TinMouse II 737-200.
Download und Installation
In diesem Review kommt die Version 1.2 der TinMouse Boeing 737-200 zum Einsatz, welches in einem ca. 80MB großen Gesamtpaket bei avsim.net zusammengefasst ist. Man kann die 737 unter dem Dateinamen „tinmouse_ii_v1_25.zip “ in der Datenbank finden. Hat man dieses Zip-File erfolgreich auf seiner Festplatte aufgesetzt, kann es auch schon losgehen, die Boeing im Flight Simulator 2004 zu platzieren. Hierzu muss man einfach alle Verzeichnisse in den verschiedenen Unterordnern in die entsprechend gleichnamigen des FS2004-Hauptverzeichnisses kopieren That’s It! Das Panel des Airline-Rentners befindet sich, nicht ganz üblich, im Verzeichnis „fsfsconv“ welches ebenfalls im FS9-Ordner Aircraft platziert werden muss. Hat man so weit alles hinter sich gebracht, kann es losgehen.
Das Add-On
Im Flusi-Menü zu finden ist das Flugzeug, oh Wunder, unter dem Flugzeug-Hersteller „Boeing“. Ein echtes Armutszeugnis für meinen Geschmack ist, dass ich das Flugzeug erst garnicht finden konnte, da ich, vorbelastet durch alle gängigen Add-Ons, zu erst nach einem Eintrag wie „TinMouse II“ oder „TinMouse II Boeing“ gesucht hatte. Hier könnte sich die ganze Add-On Branche eine Scheibe abschneiden.
Die Boeing 737-200 kommt mit insgesamt fünf verschiedenen Modellen und sechs unterschiedlichen Bemalungen daher. Ein Abwechslungs-Reichtum, den es nicht einmal bei diversen Payware-Add-Ons zu verzeichnen gibt. Wem diese vielen mitgelieferten Paints nicht reicht. Kann sich voller Erwartung auf die Suche in den zwei großen Download-Datenbanken machen, denn allein bei avsim.net füllen sich 14 Seiten Ergebnis, wenn man den Suchbegriff „TinMouse“ in das entsprechende Feld eingibt.
Das Außenmodell
Nachdem wir also die kleine Boeing in unseren Flugsimulator implementiert haben, Frankfurt Main als Flughafen und die 737-200 als Fluggerät ausgewählt haben, kann unser Testflug beginnen.
Frankfurt Main Airport, Sonntagmorgen, Parkplatz V163. Hier, also auf einer Parkplatz-Reihe vor den Toren der Lufthansa Technik finden wir unser Flugzeug in LH-Farben auf. Frisch auf das alte Herz und die alten Nieren von den firmeneigenen Fluggerätemechanikern geprüft, lacht uns die kulitge Boeing an. Der ebenfalls in die Jahre gekommene Lack glänzt in der Sonne. Und diese Tatsache wird von den Texturen deutlich unterstrichen. Zwar glänzt die Außenhaut an den meisten Stellen, es finden sich allerdings sehr viele Stellen, wo hartnäckiger Schmutz unsere alte Dame realgetreu ziert. Die Texturen sind sehr scharf gezeichnet und verwischen auch bei nährerer Betrachtung nicht.
Auch die Proportionen lassen keinen Wunsch offen. Die Dimensionen wirken durchaus glaubhaft und vermitteln den ganz speziellen Charme der Ur Boeing 737. Alles Andere als gewöhnlich, aber bei der Boeing 737-200 zu sehen sind Fenster, die nicht auf die Texturen aufgemalt sind, sondern tatsächlich in die Außenhülle integriert sind. Somit lässt sich von außen in die Kabine hinein blicken und man erkennt viele Sitze mit blauem Stoff bezogen.
Bei unserem Walk-Arround entdecken wir nach und nach weitere Details, die hier teilweise aufwändig modelliert wurden. Man findet zum Beispiel die Pitot-Rohre (Staurohre), vor den Tragflächen die Einlass-Schlitze der Klimaanlage, die auch im Simulator wirkliche Schlitze sind oder auch die Triebwerksschaufeln, die ebenfalls aus viel mehr als einer einfachen komplett-Textur bestehen.
Animationen
Neben den klassischen Standard-Animationen, die soweit alle vorhanden sind, wie Ruder etc. Gibt es auch eine ganze Menge Zusatz-Animationen. Hat man zum Beispiel die Parkbremse nicht angezogen und öffnet mit der Standard-Tastenkombi (Shift + E) die Türen, so öffnet sich lediglich die linke Front-Tür sowie die Cockpitfenster. Zieht man die Parkbremse fest, so klappt an der vorderen Tür eine Air-Stair aus und es öffnet sich auch die linke, hintere Tür. Ein besonderes Feature ist die Flugbegleiterin, die bei geöffneter Tür aus dem Flugzeug hinaus lächelt.
Schaut man genau hin, entdeckt man an der hinteren Tür sogar einen vertikalen „Sicherungs-Balken“ der verhindern soll, dass jemand in die Tiefe stürzt und einen durchaus unangenehmen Bodenkontakt erlebt. Leider läuft mir die Animation der Airstair viel zu schnell ab. Der Ausklapp-Vorgang in 2-3 Sekunden beendet? – Das wirkt einfach nicht reell! Besonders schön hingegen ist die Animation der Reverser gelungen.
2d-Panel
Für die Boeing 737-200 wurde eigens ein sehr systemtiefes Panel entwickelt. Zum Thema Systemtiefe, welche, so viel vorab, für Freeware durchaus ansehnlich ist, gehen wir gleich im nächsten Abschnitt noch einmal genauer ein.
Das 2d-Panel ist bestückt mit gestochen scharfen Instrumenten, die dennoch das Flair und Alter dieses Flugzeuges absolut zur Geltung bringen. Besonders lobenswert ist, dass man im kompletten Panel kein einziges Instrument entdecken kann, welches aus dem Microsoft Standard-Programm integriert wurde. Das ganze Cockpit ist feinste Handwerksarbeit und sicherlich eines der besten wenn nicht sogar das Beste, welches es auf dem Freeware-Markt derzeit zu ergattern gibt. Leider fehlt mir trotz allem ein Instrument: beim Anlassen der APU wird der RPM-Run-Up nicht, wie gewöhnlich, durch ein Rund-Instrument verdeutlicht, sondern schicht durch einen Schriftzug links neben dem APU-Wahlschalter angezeigt. Nicht schön. Die Zeit für dieses eine Rundinstrument hätte einfach noch drin sein müssen. Im dritten Panel-Bild dieses Reviews kann man den Schriftzug der den APU-Status anzeigt gut erkennen. Wir haben ihn durch einen roten kasten verdeutlicht und visuell abgesetzt.
Systemtiefe
Vorab gesagt, hat man bereits Simulator-Erfahrung auf einer ordentlichen Umsetzung einer 737-Classic oder einer 737-NG, wird man auch in diesem Ur-Cockpit keine großen Probleme haben. Im Prinziep ist alles an der gleichen Stelle. Lediglich die IRS-Positionierung zum Beispiel fällt aus der Natur der Sache weg.
Grundsätzlich kann man sagen, dass die Systemtiefe für ein Freeware-Flugzeug sensationell weit geht. Es wurde sehr viel beachtet. So hat man zum beispiel ohne Hydraulik-Druck keine Flaps zur Verfügung. Man kann sogar die Triebwerke hörbar überhitzen, lässt man beim Startvorgang zu früh das Jet-A1 in die Brennkammern strömen. Das Bordsystem der Boeing 737-200 verfügt über Systemumsetzungen von Elektrik, Hyraulik, APU, APU-Bleed, Klimaanlagen oder auch dem Autopilot, Beheizungs-Systeme und, und, und.
Es sollte jedoch gesagt sein, dass es nicht all zu viele Systeme nachzubilden gibt, da die Boeing 737-200 die letzte Maschine der Flugzeug-Familie ist, die noch als absolut reiner „Uhrenladen“ zählt. Hat man sich noch nie mit etwas komplexeren Flugzeugen auseinander gesetzt, sollte man sich aber dennoch vorher lieber mit dem nicht vorhandenen Manual bzw. Mit einem Turorial im Internet auseinander setzen, ehe man versucht, das Flugzeug aus dem Cold-And-Dark Modus heraus in die Luft zu bekommen. Den eben angesprochenen Cold-And-Dark-Modus erreichen wir leider nur durch die alt bekannte „Lade vorher die Standard-Cessna und knipse sie aus“-Taktik. Ein kleiner Tipp: Wählt man die Standard-Cessna und schält alles ab was standardmäßig läuft und speichert anschließend das Szenario inklusive der Option „Als Standardflug definiert“ hat man in der Regel jeden weiteren Flug den man startet im C.A.D.-Panel-Setup.
Virtuelles Cockpit
Einer der größten Wermutstropfen ist die Tatsache, dass es kein Virtuelles Cockpit gibt, und von den Entwicklern auch keines für die Zukunft angekündigt ist.
Sound
„Flusi-Standard: gibt es nicht!“ Frei nach diesem Motto gibt es auch den Teilabschnitt „Sound“ zu entdecken. Man hätte den Teufel getan, den zwei JT8D den allgemein schlechten Flusi-Standardsound der CFM-Triebwerke auzuzwängen. Stattdessen bekommt der Flusianer ein komplettes Soundset. Dieses bringt den klassischen, dröhnenden Sound der in die Jahre gekommenen Düsentriebwerke wahrlich authentisch rüber. Als die Boeing 737-200 im Jahre 1967 motorisiert wurde, waren Schall-Begrenzungen von Flughäfen noch Zukunftsmusik und so scheren sich die zwei Triebwerke nicht um den massiven Lärm den sie verursachen. Man fühlt sich also akustisch tatsächlich in eine 737-200 hinein. Das Soundset umfasst alles was das Flusianer-Herz begehrt. Von den normalen Sounds des Triebwerks-Laufes auf verschiedenen Drehzahlbereichen gibt es selbstverständlich auch realgetreue Run-Up- und Shut-Down-Sounds.
Auch das Cockpit ist mit eigenen Sounds ausgestattet. Man hört alles was man tut. Ob es das Klicken der Engine-Wahlschalter, das Ausfahren der Flaps oder das Rumknipsen am Overhead ist. Nahezu alles ist mit Sounds verknüpft. Warntöne sind auch ausreichend gesät. Zum Beispiel beim Engine bzw. APU Feuer, beim überhitzen der Triebwerke im Startlauf oder auch bei der Vergabe von Start-Thrust mit nicht oder falsch ausgefahrenen Flaps.
Flugeigenschaften
Um an einem simulierten Flugzeug die Flugeigenschaften zu bewerten, ist man sicherlich immer in einem gewissen Zwiespalt gefangen. Zum einen hat man in der Regel noch nie die Möglichkeit gehabt, das entsprechende Flugzeug in der Realität in allen möglichen Fluglagen selbst zu steuern. Zum anderen beruft man sich, vielleicht zu Recht, auf viele hunderte bis tausende virtuelle Flugstunden, die einem mit Sicherheit erlauben, sich ein entsprechendes Urteil bilden zu können.
Die Boeing 737-200 von TinMouse fliegt sich durchaus träge. Sie fliegt lange nicht so spritzig und souverän wie man das vielleicht von einer 737-Classic, oder -NG gewohnt ist. Insbesondere beim Startlauf des Flugzeuges fällt die vergleichsweise schwache Motorisierung auf. Man braucht schon eine gewisse Strecke, dass der First Officer mit seinen Worten „V1, rotate!“ zum Zuge kommt. Die Boeing 737-200 fliegt sich nicht all zu schwierig und ist zum Flightsimmer im Großen und Ganzen sehr gutmütig. Selbstverständlich hat sie ihre Eigenheiten wenn man bei der Landung in den Low-Speed-Bereich begibt. Trotz der in der Community weit verbreiteten Kritik am Flugverhalten dieses Add-Ons, kommt es mir durchaus als glaubhaft daher.
Performance
Dieses Add-On bietet keinen FMC, wurde mit keiner virtuellen Kabine und schon garnicht mit einem Virtuellen Cockpit versehen. Grund genug also, von einer optimalen Flusi-Performance aus zu gehen. Und tatsächlich: im Flugsimulator kann ich tatsächlich keine großen Einbußen feststellen. Die Boeing läuft flüssig in jeder Fluglage.
Fazit
Naja gut. Sie hat ihre kleinen Schwächen, aber doch zugleich so eine riesen Stärke: Die Boeing 737-200 von TinMouse II kostet keinen einzigen müden Cent! Und dieser Aspekt ist ja immer seltener in der Szene zu finden. Die Entwickler haben sich sehr große Mühe gegeben, aus diesem Add-On das Maximum zu holen. Und das ist ihnen für eine Freeware mehr als nur sehr gut gelungen. Da stört es auch nicht so sehr, wenn ein APU-Instrument fehlt, man kann es verschmerzen. Denn immerhin zählt ja immer der Gesamteindruck. Ich kann dieses Add-On jedem wärmstens empfehlen, dem nicht schon eine Cessna anzuwerfen zu viel Arbeit ist. Denn dann kann man aus jedem Feierabend-Flug etwas ganz besonderes machen.
Sascha Schreck für flusinews.de
Alle Details auf einen Blick
Entwickler: TinMouse II
Lizenz: Freeware
Version: V1.25
Download-Größe: ca. 80MB
FS-Version(en): nur FS2004
Download-Link: Download via Avsim. klick!
Weitere Bilder
Alle Details auf eine
Bisher immerhin 1 Kommentar. Besser als nichts.
Ich gehöre nicht mehr zu den Nasenbeinpiloten die nur vor den Panels hängen. Jede Maschine die kein VC besitzt kann noch so toll und elegant sein, sie fliegt sofort wieder von der Platte. Ich fliege mit TrackIR, und kann so einen alternativen Unsinn nicht mehr sehen, zumal er auch noch Speicher kostet, den man besser nutzen kann. Wer zu faul ist den Kopf zu bewegen, sollte doch lieber beim uralten FS bleiben. In neuen Addons gehört dieser verstaubte Kram nicht mehr rein. Wer nicht mit VC fliegen kann, sollte es gleich ganz lassen. In der Realität holen die Piloten auch kein Brett mit Knöpfe heraus, wenn ihnen das Cockpit nicht zusagt.